Die Haufe-Verlagsgruppe beispielsweise hat vor zwanzig Jahren noch 97 % des Umsatzes mit Papiertexten gemacht, heute sind es 97 % mit digitalen Dienstleistungen — und deutlich mehr Beschäftigten. In den 90er Jahren war News das Flaggschiff der österreichischen Medienbranche. Jörg Haiders Aufstieg und Thomas Klestils Fall wurden von News begleitet, verkündet, ja gemacht. Heute ist es still geworden um News. Die Zukunft des Print-Mediums sieht wenig rosig aus.
Die Digitalisierung ist aber nicht nur für News sondern für die gesamte Medienbranche eine immense Herausforderung wie Horst Pirker von der Verlagsgruppe News feststellt:
Soweit so treffend. Dem ist wenig entgegenzusetzen, man kann dies als kreative Zerstörung im Sinne Schumpeters abhaken.
Matthias Karmasin vom Medienhaus Wien geht nun aber einen Schritt weiter und verknüpft „die Medien“ mit den Errungenschaften der „bürgerlichen Gesellschaft“ und postuliert so unterschwellig, die Rettung der Gatekeeper, also der Massenmedien, sei eine Bürgerpflicht und Digitalisierung somit gesellschaftszersetzend.
Das ist natürlich Unsinn. Wir brauchen keine Massenmedien die uns ein Gefühl von Mitbestimmung suggerieren, wir brauchen, wenn schon, Mitbestimmung oder zumindest Transparenz und Kontrolle.
Beides, Mitbestimmung und Kontrolle, wird durch das Internet und digitale Medien eher mehr ermöglicht.
Andere haben aber ohnedies längst erkannt wo die digitale Reise der Medienlandschaft hingeht und sich entsprechend verändert.
Die Haufe-Verlagsgruppe beispielsweise hat vor zwanzig Jahren noch 97 % des Umsatzes mit Papiertexten gemacht, heute sind es 97 % mit digitalen Dienstleistungen — und deutlich mehr Beschäftigten. Die Erkenntnis: Kunden bezahlen nicht für Papier, sondern für Lösungen.
Hier ist gut zu sehen, dass es in der digitalen Welt noch immer Platz für „Gate-Keeper“ gibt, sie müssen aber mehr leisten, als ein Gefühl der Mitbestimmung zu suggetieren. Das können nämlich mittlerweile die beliebtesten sozialen Online-Medien besser. 93 Prozent der Jugendlichen nutzen den Messenger-Dienst WhatsApp, 90 Prozent sehen sich YouTube-Videos an. Dahinter folgen Instagram mit 68 Prozent, Snapchat mit 65 Prozent und Facebook mit 48 Prozent.
Abbildung zeigt nicht die Zahlen aus dem Text.
Beeindruckende Zahlen, die zeigen, was Medienanbieter in Zukunft leisten müssen, wenn sie in der digitalisierten Welt bestehen wollen. Sie müssen ihre Konsumenten als aktive Content-Produzenten und sich selbst als hocheffiziente Plattformen für die Vernetzung, Verbreitung dieses neuen contents verstehen, den sie rund um einen Kern an Informationen und Nachrichten anordnen, der für ihre community relevant, interessant und emotional berührend ist.
Hier zeichnen sich Veränderungen ab, die auch die großen Player der social Networks erst verstehen und für pro aktives Veränderungsmanagement nutzen müssen.
Für junge Menschen ist aber diese Erkenntnis ohnedies nichts Neues. Franz Kühmayr vom Zukunftsinstitut hat festgestellt, dass die jungen heute gänzlich anders ticken:
Qualität wird von den Jungen nur folgerichtig entweder im friend-, follower- oder user-Kontext z.B. durch likes oder durch vertrauenswürdige Dritte, bei Fragen zur Digitalisierung zum Beispiel orf.futurezone, golem.de und heise.de festgestellt.
Quelle: Screenshot, https://futurezone.at/myfuzo, 21.03.2017:15:48
Damit ist auch klar, welche zwei Hausaufgaben im medialen Bereich zu machen sind:
- Kenne und verstehe Deinen Kunden und biete ihm eine Community. Dazu braucht es eine radikale und intensive Analyse von Nutzerdaten etwa durch predictive Analytics, Big Data Ansätze oder deep learning Ansätze (IBM Watson und Co.).
- Baue Deine Geschäftsmodelle auf einer hocheffizienten, zeitgemäßen IT-Logistik auf. Bediene Dich bei allem was gut und teuer ist, versuche die IT unter Kontrolle zu behalten. Wenn dies etwa aus finanziellen Gründen nicht geht, dann halt bei Amazon Web-Services. Sei Dir aber klar, dass Dein Content und Deine Datenschätze dann nicht Dir alleine gehören.
Carsten Thirs, Geschäftsführer von Haufe Lexware formuliert es im Beitrag „Paid Content ist für uns eine Überlebensfrage“ so:
Das heißt nicht, dass nun alle eine Katy Perrisierung ihrer inhaltlichen Ausrichtung machen müssen. Keineswegs.
Auch die Frage, ob wir unsere Ozeane und die Lebewesen darin auf Jahrtausende als Plastikmüllhalden nutzen dürfen bedarf einer differenzierten und wohl auch emotionalen Art der Darstellung.
Darin besteht das Wesen des Gatekeepers im digitalen Zeitalter.
Er steht für perfekte Recherche bei der er durch modernste Technik unterstützt wird. Dabei werden Informationen in einer Tiefe und Breite berücksichtigt, von der die alten Gate Keeper nicht einmal träumen hätten können.
Er nutzt bei Logistik und Vertrieb enorme Effizienzsteigerungen durch unendlich oft, fast kostenlos, kopierbare Inhalte und die Lichtgeschwindigkeit des Internets.
Bei der Individualisierung stellt sich allerdings schon die Frage, ob mittelfristig, unterm Strich, mit weniger Menschen und weniger Sachaufwand das Auslangen gefunden werden kann.
Langsam wird nämlich evident , dass die technischen Potentiale der industriellen und effizienten Produktion und das was Menschen wollen und auch nachfragen, nicht dauerhaft einhergehen.
Der Verleger Manuel Herder weist in einem Artikel über das abgesagte Sterben des Buchhandels auf einen wesentlichen Zusammenhang hin, der im Zusammenhang mit den möglichen Konsequenzen der Digitalisierung bisher weitgehend ausgeblendet wird:
Das bedeutet, dass die angestrebte vollständige Effizienz durch digitales Wirtschaften nicht erreichbar ist, weil halt Geschmäcker und Watschen unterschiedlich sind, wie man in Österreich so schön sagt.
In der Praxis werden die digitalen Riesen wie Google, Apple, Amazon und Co.die Effizienzsteigerung weitertreiben und die so erzeugten Einheitsprodukte durch schlaue Algorithmen“individualisieren“.
Ob das funktioniert wage ich zu bezweifeln. Dieses Modell ist nämlich nichts anderes als die Vervielfältigung weniger Agentur-Pressemeldungen, die uns die „Gatekeeper“ heute noch als Qualitätsjournalismus verkaufen wollen.
Qualität besteht aber künftig auch daraus, wie stark die Nutzer in die Content Erzeugung miteingebunden sind.
Bilder und Videos sind (nämlich) für viele Jugendliche die wichtigsten Ausdrucksformen geworden, um sich im Freundeskreis auszutauschen und um mit ihrem digitalen Umfeld zu kommunizieren.
Das ist letztlich sehr wichtig, weil die Präferenzen der Menschen durch die Digitalisierung anders werden, wie Franz Kühmayer von der Zukunftswerkstatt feststellt:
Franz Kühmayer und Staatssekretär Harald Mahrer.
Die Digitalisierung treibt uns weg von Erwerbsarbeit, weg von monotonen Jobs, hin zu Innovation und Kreativität, also zu Berufen, in denen auch Soziales gefragt ist. In Zukunft geht es um Arbeit an der Gesellschaft, an der Gemeinschaft und der Umwelt. Und das entspricht viel eher unserer Menschlichkeit.