Erfolgreich am Markt bleiben. Was Wein und Handys gemeinsam haben?

Braucht es ausschließlich Innovation und Digitalisierung wie das smart phone nahelegt oder doch einfach ein nur gutes und profitables Produkt um am Markt langfristig erfolgreich zu sein wie der Wein gut zeigt? Handies gibts noch nicht lange, Wein aber schon. Grund genug genauer hinzusehen.

Wein gibt es seit Jahrtausenden. In dieser Zeit hat er viele Rollen eingenommen. Vom billigen Rauschgetränk über das Blut Christi der Katholischen Kirche, bis zum heutigen edlen Tropfen, war der Weg weit und steinig. Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit den ersten gesetzlichen Qualitätsregulativen (Weingesetze) und der Eröffnung der Weinbauschulen der Startpunkt für eine erstaunliche Karriere des Weins gelegt.

Grund war die Reblauskatastrophe mit der Auslöschung des österreichischen Weinbaus.

Mitte der 80er des 20ten Jahrhunderts ein erneuter „Schicksalsschlag“. Der Weinskandal zwang die Weinwirtschaft nach 100 Jahren erneut bei Null zu beginnen.

Erfolgreiche Wege beginnen oft mit einer Katastrophe

Dieser Neustart war sehr erfolgreich. Er zeigt uns heute, wie effektives Marketing und erfolgreiches Product Development funktionieren können.

Mit einer klaren Ausrichtung auf echte Bedürfnisse, mit einem Bekenntnis zu definierter, kontrollierter, gesteuerter und verlässlicher Qualität und einer Konzentration auf das Wesentliche.

Digitalisierung und Innovation tauchen da noch gar nicht so prominent als Wachstumstreiber auf.

Heute ist beispielsweise klar, dass wir bis um 1800 kein wirklich messbares Wachstum (ca. 0,2%) beim BSP pro Einwohner hatten, während es sich seither ca verachzigfacht hat, wie J. Bradford Delong gezeigt hat. Auch ohne Wachstum gab es viele Annehmlichkeiten des täglichen Lebens, allerdings nur für wenige.

Zweitens, ist das was uns als Innovation verkauft wird meistens eine Kombination aus altbekannten. Künstliche Intelligenz gibt’s im Kern seit rund 50 Jahren. Es ist nun aber die Zeit reif dafür weil es schnelle Computer und Clouds gibt.

Guter Wein ist das Ergebnis von Fokussierung auf weniges

Beim Wein ist es ganz ähnlich. Es gab ihn seit Jahrtausenden in ähnlich mässiger Qualität und geringem Ertrag. Ebenfalls bis ins 19. Jhdt. lag der bei rund 15hl/ha. Früher als selbst kleine Kinder lauwarmen Wein getrunken haben, gab es überdies unzählige Reben und Sorten. Es gab hohe unbestimmte Qualität für ganz wenige und schlechtes Mittelmaß für den Rest von uns.

Diese, längst verschwundenen Weine, die so genannten „hunnischen“ Sorten, kennt man heute, bis auf den weissen Heunisch (siehe oben), nicht mehr. Sie wurden in die neuen Qualitätslisten nicht zugelassen und verschwanden – als Marktführer – innerhalb weniger Jahre vollständig. Bekannt? Nokia ging’s auch so.

Die gefälligeren „fränkischen“ Weine wie zum Beispiel der Traminer und der Riesling, haben es aber zumindest in die Gegenwart der Qualitätsweine geschafft. Das wären dann also Samsung und Apple.

Gerade in einer Phase, in der der österreichische Weinbau nicht nur seit dem späten 18. Jahrhundert kontinuierlich einen Rückgang erfahren hatte, sondern auch durch die Konkurrenz neuer alkoholischer Getränke wie Bier, Schnaps, Obstmost und Kunstwein einerseits und durch Importweine andererseits in Bedrängnis geraten war, stürzte das Auftreten neuer natürlicher Feinde wie der Reblaus diesen in eine existenzielle Krise. Klingelte? Ja, klar, chinesische Hersteller.
Damals gab es belegbar alleine in der Steiermark über 250 autochthone Sorten, die Erzherzog Johann selektionierte. Kaiser Josef II hatte zuvor mit der Josephinische Zirkularverordnung vom 17. August 1784 die Buschenschanken quasi per Gesetz vorweggenommen. Die Gesamtanzahl der Sorten für ganz Österreich wurde nie erhoben, aber, dass es weit über 1000 waren ist evident.

Die Hektarerträge lagen bis ins 19. Jhdt. bei max. 15 hl. Heute ist der Hektarhöchstertrag gesetzlich mit 62,5 hl festgelegt, was in etwa einer Vervierfachung in 150 Jahren entspricht. Qualität und Preise sind dabei deutlich gestiegen, Wein ist eine wertvolle Marke geworden.

Was waren die Erfolgsfaktoren?

Die Qualität der Weine ist heute offenbar eine vollständig andere als damals.

Do the right Things – Beschränkung aufs Wesentliche

In Österreich sind heute nur mehr 22 weiße und 14 rote Rebsorten zugelassen. Der Rotweinanteil hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten verdoppelt und macht derzeit ein Drittel der österreichischen Gesamtrebfläche von knapp 46.500 ha aus und ist damit ungefähr so gross wie vor dem ersten Weltkrieg.

Standardisierung und Reduktion der Produktvielfalt war auch beim Handy ein erfolgreicher Weg.

Die Anzahl der Betriebe (analog Hersteller, Provider) hat sich seit 1987 um 69% verringert und lag 2015 bei 14.111 Betrieben mit einer durchschnittlichen Grösse von 3,2 ha (50er Jahre 1,3 ha).

Dem Konsumenten wird durch die Festlegungen des Weingesetzes (1907, letzte Fassung 2009) eine klare Orientierung geboten.
Unterschieden wird generell zwischen Wein mit Herkunft (Landwein, Qualitätswein) und Wein ohne Herkunft (Wein aus Österreich). Im Telekommarkt nennt man das grenzenloses Roaming und Heimatmarkt.

Für die Einreihung in die verschiedenen Kategorien sind die Herkunft der Trauben und der Zuckergehalt des Mostes entscheidend, ausgedrückt in Klosterneuburger Mostwaage (KMW).
Weitere unter gewissen Voraussetzungen zulässige Bezeichnungen für Qualitätswein sind beispielsweise: Kabinett, Prädikatswein (Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Eiswein, Strohwein/Schilfwein, Trockenbeerenauslese).

Grüner Veltliner und Zweigelt dominieren das Sortiment.

Do Things right – Qualität, Prozesse und Zuverlässigkeit

Mit der Gründung der Weinbauschule Klosterneuburg (1860) und den Weingesetzen 1880, 1907 und jenen der 20er, 30er und der Nachkriegsjahre wurde ein solider Rahmen geschaffen.
Die tragenden Säulen des österreichischen Weingesetzes sind heute die kontrollierte Herkunft, die Hektarertragsbeschränkung, die Qualitätsstufen und die staatliche Qualitätskontrolle.

Decision and control

Mit den Weingesetzen wurde aber auch eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg geschaffen. Messen der Produktions- und Qualitätsgrössen, einführen von Ziel- und Grenzwerten (Hektarhöchstertrag, Zuckergehalt), definierte Prozesse und Produkte.

Der so festgelegte Prozess wird überwacht (evaluiert) und über Feedback gesteuert (Sanktion und Strafe bei Abweichung).

Die Produktion findet in nur mehr wenigen streng kontrollierten Betrieben die selbst abfüllen (ca. 6000, weniger als 50% der Betriebe) statt. Die Zahl der Abfüller von Qualitätswein ist von knapp 6.500 Betrieben im Jahr 2009 auf rund 4.200 Betriebe gesunken. Die Anzahl der leistungsfähigen Betriebe über 30.000 Liter ist hingegen von rund 970 im Jahr 2009 auf über 1.500 gestiegen. Diese Betriebe stellen die Speerspitze der österreichischen Weinwirtschaft dar und arbeiten intensiv mit der ÖWM (Österreichisches Wein Marketing) zusammen.

Die Öffnung des Marktes nach dem Weinskandal 1984 hat den Druck auf die Qualität erhöht und so die Wettbewerbsfähigkeit verbessert.

Tell it to the world.

Im Durchschnitt betrug die Ernte der letzten 65 Jahre 2,3 Mio. hl, wobei sich die Größe der Ernten in den letzten 15 Jahren auf einem durchschnittlichen Niveau von 2,4 Mio. hl eingependelt hat. Kein Mengenwachstum also, sondern Qualitätsverbesserung (Premiumpakete der Provider) durch smarte Produktion und attraktive Vermarktung. Klingelte? Stichwort I-Phone Generationen!

Das 56k Modem beim Internet wurde ja auch nicht vom 112k Modem abgelöst, sondern vom Glasfaserkabel und vom WLAN.

Warum war das letztlich klug?

Wein wird in Österreich zu rund 90% aus inländischer Produktion konsumiert. Der Markt ist somit stabil. Die konsumierten Mengen sind seit Jahrzehnten gleich. Der pro Kopf Verbrauch nimmt seit Jahren, auch durch Migration und Änderungen im Lebensstil eher ab. Bier hat einen kulturellen Vorsprung, der nicht einzuholen ist.

Die Zahlungsbereitschaften nahmen aber mit der Qualität zu. Der höchste Umsatzerlös findet heute in der Klasse 6,0-9,99€ pro Bouteille statt.

Die überwachte und gesteuerte Qualitätsentwichlung und die gute Einbettung des Weingesetzes in internationale Standards haben – mit gutem Marketing- in Folge auch ausländische Märkte erschlossen. Das wäre mit Massenweinen unmöglich gewesen.

Österreichs Weinexporterlöse sind im Jahr 2016 trotz einer Serie kleiner Ernten seit 2011 auf ein neues Rekordniveau von knapp 148 Mio. Euro gestiegen. Verantwortlich dafür war ein markantes Absatzplus von 1,3 Mio. Liter bei hochwertigen Flaschenweinen, was Umsatzsteigerungen von 4,7 Mio. Euro in diesem Segment bewirkte. Der Durchschnittspreis aller Exporte stieg auf beachtliche 3,05 Euro pro Liter.

Zurück zum Ursprung

Ach ja, wovon sind wir ausgegangen? Nur mit radikaler Innovation und Digitalisierung können wir heute Wachstum erzeugen?

Mitnichten. Erfolgreiche Produkte und Services beruhen immer noch auf analogen Grundbedürfnissen. Durst und der Wunsch zu kommunizieren sind zwei davon. Sind Sie grundsätzlich erfüllt, dann Muße Wachstum einhergehen mit Qualität, Standards und Konzentration.

Wein ist ein Lebensmittel mit einer stark emotionalen Bedeutung und er ist lokal und nachhaltig. Das smart phone ist das genaue Gegenteil davon. Beide sind erfolgreich, mit den gleichen Prinzipien.

Innovation in den agrarischen Grundlagen (Reihenbepflanzung, biologischer Weinbau) und den qualitätssichernden Prozessen (Stahltank, Schraubverschluss) und der begleitenden Kontrolle (Weingesetz) zusammen mit den Konsolidierung der Betriebsgrössen nach dem Weinskandal haben einen ertragreichen, starken Markt mit wertvollen Produkten geschaffen, deren Preise den Produzenten Leben lassen.

Digitalisierung hilft hierbei sicher sehr, Innovation beim Marketing und den Produktionsverfahren auch.

Letztlich sind es aber die auch radikalen Werte Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und sichere Qualität, gepaart mit hoher Emotion die den österreichische Wein zukunftsfit gemacht haben. Beim Handy wird’s nicht anders gehen, halt nicht lokal.

Darauf gönne ich mir einen Ché (Roter Muskateller, 2016) vom Schabel in Gumpoldskirchen. Oder doch einen Weissen Heunisch? Schöne neue Weinwelt

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