Smart Cities brauchen starke elektrisch betriebene U-Bahn- und Straßenbahnanlagen, in Zukunft auch alternativ angetriebene Bussysteme. Nur damit kann die Energie- und Mobilitätswende gelingen.
Diese Netze müssen – wie jedes Ver- und Entsorgungsnetz – für kurzfristig auftretende Spitzenleistungen geplant, gebaut und betrieben werden. Die Errichtungs-und Betriebskosten wiederum werden hauptsächlich von diesen erforderlichen Spitzen bestimmt. Wir brauchen daher sehr viele innovative Ansätze um die Spitzenlast und die infrastrukturellen Bereitstellungskosten verringern zu können.
Dazu muss man aber verstehen, wie Verkehrssystem in einer Stadt geplant, gebaut und betrieben werden. Das möchte ich hier in aller Kürze erklären. Abschliessend zeigen, welche Innovationleistung erforderlich ist um gute und langfristig leistbare Lösungen zu finden.

So kostet ein Kilometer U-Bahn in der Errichtung heute in der Regel zwischen 150 und 300 Millionen Euro. Straßenbahnen sind üblicherweise um den Faktor 10 billiger, ihre Leistungsfähigkeit – auch durch die Mischung mit dem MIV und seinen Lichtsignalanlagen deutlich geringer.
Planen heißt: Wissen was in 30 Jahren der Fall ist.
Welche Leistungsfähigkeiten braucht man in einer Stadt aber langfristig und wie ermittelt man diesen Bedarf eigentlich?
Dazu geht man zunächst vom Bekannten aus: Der Stadt, ihren Strukturen an Wohn- und Arbeitsplätzen und ihrem bestehenden Verkehrsnetz mit den bereits beschlossenen Ergänzungen der nächsten 5-10 Jahre (Mittelfristiges Bestandsnetz)
Relevant sind dabei einerseits die bestehende Anzahl an Arbeitsplätzen und die Einwohnerdichte im Einzugsbereich der Stationen. Im nächsten Schritt erstellt man eine qualifizierte Schätzung der zahlenmäßigen Veränderungen ebenfalls für den kurz bis mittelfristigen Planungshorizont (5-10 Jahre).
Das ist zunächst weniger eine Planungsaufgabe, als ein qualifiziertes und gemeinsames Abschätzen durch die an der Planung beteiligten Einheiten der Stadt, der Interessensvertretungen, der Statistikeinheiten, Wirtschaftsforschungsinstitutionen, Universitäten usw.
In Wien liegt dazu mit dem SteP25 und seinen Fachkonzepten (z. B. für Mobilität) eine gute Basis vor.

Was Du heute kannst besorgen, begrenzt Dich morgen!
Egal wie die Planungen in Folge angelegt werden. Es gibt immer Leistungsgrenzen die man später nicht oder nur mit sehr hohen Kosten überschreiten kann.
Beim Flughafen Wien müssen beispielsweise nach rund 70 Jahren Betriebszeit diese Grenzen künftig durch eine dritte Piste und Investitionen von ca. 1,6 Mrd € (2018) verschoben werden.
Zum Zeitpunkt der Planungen des Flughafens in den 30er Jahren, war die realisierte Leistungsfähigkeit ja mehr als ausreichend. Später, der Fall des Eisernen Vorhangs unvorstellbar, Wien am Rande Europas. Die Dinge haben sich geändert. Die Fluggastzahlen sind von rund 50.000 (1953) auf rund 25 Mio (2018) gestiegen. Corona hat die Karten hier neu gemischt.
Kern jeder Planung ist daher wie gesagt eine solide Prognose und ein Zielbild der Stadt- und Umlandentwicklungen für mindestens 25 Jahre. Dieses ist sehr strategisch und im Falle der Wiener Smart City Rahmenstrategie für 2050 an Kennzahlen der Lebensqualität und langfristigen Nachhaltigkeit orientiert, bspw an:
- Wien senkt seinen konsumbasierten Material-Fußabdruck pro Kopf um 30 Prozent bis 2030 und um 50 Prozent bis 2050.
- Reduktion der Emissionen von derzeit 3,1 Tonnen pro Kopf auf circa eine Tonne: minus 80 Prozent von 1990 bis 2050
- Energie: Bis 2050 kommen 50 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen. Der Primärenergieeinsatz sinkt von 3.000 auf 2.000 Watt pro Kopf.
- Mobilität: Senkung des motorisierten Individualverkehrs von derzeit 28 auf 15 Prozent bis 2030. Bis 2050 fahren alle Autos innerhalb der Stadtgrenzen mit alternativen Antriebstechnologien.
- Gebäude: Reduktion des Energieverbrauchs für Heizen, Kühlen und Warmwasser um ein Prozent pro Kopf pro Jahr.
Die Zügel in der Hand behalten
Eine Vision für längere Zeiträume hilft die möglichen Entwicklungen der Stadt und der Fahrgastzahlen gut einzugrenzen. Es muss für die Wiener Linien jedenfalls klar sein, ab welchen Fahrgastzahlen die Grenzen des Systems auftreten.
Die Wiener Linien arbeiten daher seit langem mit einem eigenen Planungsmodell, der sogenannten Netzanalyse

Dabei hat sich dabei klar gezeigt, dass das anstehende Wachstum der Stadt nur mit einem „Lückenschluss im U-Bahnnetz“, dem Linienkreuz U2/U5, begegnet werden kann, wenn gleichzeitig der MIV-Anteil am Modal Split zurückgehen soll, was allgemein Common Sense darstellt.
Wie hängen Kosten, Effizienz und Effektivität zusammen?
Der MIV in den Städten beansprucht das zunehmend knappe Gut „Grund und Boden“ wesentlich stärker als der ÖV oder gar zu Fuß gehen oder Rad Fahren. ÖV ist also flächeneffizient.
Damit dies so sein kann, müssen die geforderten Leistungsfähigkeiten hoch sein. Deren Höhe beeinflusst aber den Kapitaleinsatz für die Investition, dieser wiederum die Bedienung der Annuitäten, der Betriebs- und Erhaltungskosten, also der laufenden Kosten. Wir müssen also festlegen, wie effizient wir den Verkehr brauchen um dann Auskunft über die Kosten zu kriegen.
Die technischen Planung sind heute sehr komplex und vernetzt. Mit BIM und CAFM-Systemen stehen heute Hilfen zur Verfügung mit denen diese Komplexitäten nicht nur reduziert werden können. Vielmehr können wir in Zukunft von einer linearen Planung Abfolge auf eine mit den relevanten Stakeholder vernetzte Echtzeit-Planung übergehen. Bei der können wir die Konsequenzen von Änderungen hinsichtlich Kosten und Bauablauf sehr schnell beurteilen und so auch besseres Verständnis für die schwierigen Probleme im Rahmen der Planung erzeugen.
Leistungsspitzen sind kurz und selten bestimmen aber die Kosten!
Mit dem Hersteller der Fahrzeuge und des Signal- und Zugsicherungssystems oder dem technischen Geschäftsführer wird die theoretische Leistungsfähigkeit des U-Bahnsystems bestimmt.
Diese sagt uns nämlich, wie gut kurzfristige Leistungsspitzen, etwa im Störungs- oder Veranstaltungsfall, bewältigt werden SOLLEN und bestimmt wesentlich die Investitionskosten des Fahrzeug- und Zugsicherungssystems. Sie ist ein technisches Potential, dessen tatsächliche Realisierung später hohe Kosten verursacht.
Sie ist aber immens wichtig. Die Performance von Verkehrsbetrieben wird im Alltag in der Krise bewertet. Im Störungsfall, nach dem Champions League Finale. Wer hier Performer und schnell ist, dem fliegen die Herzen der Fahrgäste zu.
Die theoretische Leistungsfähigkeit gibt an, in welchen zeitlichen Abständen Züge aufeinander folgen können, wenn alle dafür erforderlichen Grundlagen und Randbedingungen – auch finanzieller und betrieblicher Art – erfüllt sind oder passend gemacht werden. Dazu kommen wir gleich.

Beim Auto sind das die PS, bzw. das Drehmoment, die so gerne als „Überholreserve“ mit enormen Kosten bereitgestellt werden. Sie sagen aber zB nichts über den Komfort auf Langstrecken aus.
Wie viele Personen in der Realität dauerhaft befördert werden MÜSSEN liegt wesentlich unter der theoretischen Möglichkeiten.
Die Dimensionierung der Stationen samt ihrer Fördertechnik (Fahrtreppen und Aufzüge) und die Ausstattung mit Betriebs- und Instandhaltungspersonal ist hier maßgeblich und begrenzend.
Der Notfall bestimmt die erforderliche praktische Leistungsfähigkeit!
Liegen nun geeignete IST-Werte oder Fahrgast-Prognosen vor, dann kann daraus die praktische Leistungsfähigkeit (Fahrzeuge/h oder pro Tag) ermittelt werden. Durch sie kann nun ermittelt werden, wieviele Fahrgäste in das System U-Bahn pro Zeiteinheit eintreten und es – nach der Beförderung – wieder verlassen können. Sie beschreibt also eigentlich die Kapazität (Fahrgäste/h oder pro Tag) der Station.
Die praktische Leistungsfähigkeit wird wiederum durch den Ausnahmefall, und hier durch die Dimensionierung der Station – bestimmt.
So müssen bei der Wiener U-Bahn in jeder Station die Fahrgäste eines vollbesetzten Zugs (rund 900) und die am Bahnsteig wartenden Fahrgäste (ca. 30% zusätzlich) in einer angemessenen Zeit (je nach Sicherheitsstandard) Fahrzeug, Bahnsteig und Station verlassen können.
Dazu braucht eine Station ausreichend Bewegungsflächen, damit es nicht zu Staus und Gedränge kommt. Sie braucht ein schlüssiges Beleuchtungs- und Info-Konzept, Energieversorgung inklusive einer unterbrechungsfreie Stromversorgung, Brandrauchentlüftung, Löschsysteme usw. Diese Systeme werden auf die größtmögliche Anzahl von Menschen in der Station bemessen und sind sehr kostenrelevant.
Ein Netz ist so stark wie sein schwächstes Glied!
Dieser Zusammenhang ist somit der maßgebliche, weil nicht nur kostenrelevant ist sondern auch auf alle Fahrweg-Abschnitte und Stationen des U-Bahnnetzes anzuwenden ist.
Konkret bedeutet das, dass jene Anzahl an Menschen die in einer großzügig dimensionierten Station A ins Netz (In eine Linie, ein Fahrzeug) gelangen, bei jeder anderen Station das Netz wieder verlasen können müssen und zwar verbindlich.
Die tatsächlich erforderliche Leistungsfähigkeit kann also erst im Zusammenspiel von Fahrzeug und Fahrweg, der sogenannten Fahrdynamik, mit den umgebenden Stationen bestimmt werden und gilt dann langfristig.
Was braucht es damit Leistungsfähigkeit garantiert werden kann?
Die Bereitstellung dieser und höher Kapazitäten braucht zumindest folgende Grundlagen:
- Ein hoher Bedarf an unterstützendem Betriebspersonal, begleitender Überwachung und zusätzliche Hilfe bei der Bahnsteigabfertigung und der Schaltung von Rolltreppen.
- Eine ausreichende Wagenreserve um Probleme im Fahrplan sofort puffern zu können.
- Ausfallsicherheit der Wendeanlagen.
- Die Arbeitszeiten der FahrerInnen samt Personalreserven bzw. Kosten der hohen Kapazität (Überstunden etc.). Dazu gehören die Wendehelfer, die Personalablöse
- Die grundsätzliche Verfügbarkeit der Wagen. Diese wird beispielsweise durch verschmutzte und besprayte Wagen beeinflusst, da diese aus vertragsrechtlichen Gründen unmittelbar eingezogen werden müssen.
Das bringt in der Realität folgende Herausforderungen mit sich:
- Fahrgäste mit Handicap oder z.B. Reisegepäck, Kinderwägen, alte, junge Fahrgäste, also über die gesamte biologische Spannbreite können in der Spitzenstunde nur mit Eischränkungen befördert werden. Dies betrifft rund ein Drittel der Fahrgäste
- Die Aufrechterhaltung der Verfügbarkeit erfordert auch Wartungsarbeiten an der Gleisanlage. Die Zeitfenster dazu sind mit rund vier Stunden pro Nacht (Sonntag – Donnerstag) ohnedies jetzt schon sehr knapp bemessen.
Die Bedeutung von Innovationen für die Steigerung der Effizienz
Um die sehr hohen Kosten der jeweiligen Leistungsfähigkeiten im Griff zu behalten, müssen wir folgende Wege gehen:
- Automatisierung der Betriebsführung. Damit kann der Fahrplan stabil gefahren werden. Das führt zu einem geringeren Fahrzeugbedarf an sich. Die nicht mehr erforderlichen Fahrerinnen können im Sicherheits- und Servicebereich für die Kunden eingesetzt werden.
- Präzise Modelle und Simulationen für Brandrauch- und Entfluchtungsthemen. Damit kann die Dimension der Haus- und Fördertechnik auf ein notwendiges Minimum beschränkt werden. Das ist sehr kostenrelevant.

- Predictive Maintenance im Bereich Fahrzeuge um die Fahrzeugreserve minimal zu halten.
- Preventive Maintenance am Fahrweg um die Verfügbarkeit sicher zu gewährleisten und Störungskosten zu minimieren.
- Ergänzende Mobilitätskonzepte um die erforderlichen Kapazitäten der Spitzenstunden zu reduzieren
- Abgestimmte Entwicklungskonzepte mit der Stadtplanung um Wohnen und Arbeiten besser zu verschränken.
Dieser Aufgabe habe ich mich mit meinem Team verschrieben. Infrastruktur bedeutet soviel wie Unterbau, also das auf dem die Gesellschaft, die Wirtschaft und andere technische Systeme aufbauen. Der Infra Manager ist der unterste Manager im Wortsinn, immer am Gleis. Dort wo das Rad die Schiene berührt, wo die Musik spielt.