BIM einführen heisst Bauen verkehrt denken!

Das Building Information Modelling (BIM) hat viele Vorteile in der Planungs- und Bauphase. 10 davon sind im Bausoft Blog 10 Vorteile von BIM – Warum Building Information Modeling? gut dargestellt.

Doch wie sollten wir Infrastrukturbereitsteller BIM sehen und einführen?

Ein ganzes Bild herstellen

Die gesamten Vorteile von BIM können aber gehoben werden, wenn wir den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks einbeziehen, wie beispielsweise das World Economic Forum erkannt hat.

(…) wird BIM hauptsächlich in der Planungs- und Entwurfsphase, weniger in der Konstruktion und noch weniger in der Betriebs- und Wartungstechnik eingesetzt. Das ist bedauerlich, denn Betrieb und Instandhaltung (O&M) werden am meisten von der Einführung von BIM profitieren, da diese Phasen die längste Zeit im Leben eines gebauten Objekts umfassen und das größte Potenzial für Kosteneinsparungen und zusätzliche Einnahmen bieten.

Shaping the Future of Construction

An Action Plan to Accelerate Building Information Modeling (BIM) Adoption, World Economic Forum (WEF)

Alle Potentiale können bei der vernetzten Infrastruktur erst im Asset Management mit den vielen kleinen Helfern wie GIS, BIM oder CAFM gehoben werden.

Die BIM-Strategie eines Infrastrukturbetreibers muss also zunächst den gesamten Lebenszyklus aller Bauwerke im Auge haben.

BIM Adoption Cycle des WEF
BIM Adoption Cycle des WEF

Den Blickwinkel ändern

Daten haben in der BIM-Strategie naturgemäß eine hohe Bedeutung. Barry Gleeson, Network Rail Survey Assurance Manager, Thameslink, bringt es auf den Punkt: „Es geht um die Erfassung, Verifizierung und Kommunikation von Daten und Informationen und das über den gesamten Lebenszyklus

BIM muss daher richtigerweise ein „umgekehrter“ Prozess sein. Alle unsere Bauwerke werden nicht des Bauens wegen erstellt, sondern um anschließend einen langjährigen Nutzen zu erhalten. Daher muss der Prozess von hinten beginnen, bei der Nutzung, beim Betrieb.

BIM in der Praxis – Fokus Tiefbau und Infrastruktur

ÖBV-Arbeitskreis „BIM in der Praxis“ Empfehlungen für Building Information Modeling; Schriftenreihe der österreichischen Plattform 4.0

Im Infrastruktur-Lebenszyklus eines Betreibers beginnt die Strategie mit dem Bestand, also jenen Bauwerken die bereits benutzt werden und deren Planbasis meistens miserabel ist.

Eine ziemlich anspruchsvolle und lang laufende Aufgabe für Betreiber. Meiner Meinung nach eine nutzbringende. Stellen Sie sich aber vor, wie viele Probleme künftig in Meetings alleine wegen aktueller und vernetzter Daten, wegen eines 3D-Modells oder einer interaktiven Konstruktionstabelle und der Echtzeit-Visualisierung von Abweichungen im kritischen Pfad, einfach aus der Tabelle gelöscht werden können.

3-Dimensionale Modellbasis der U-Bahnstation Gumpendorfer Straße. Die Daten sind bereits attributiert und mit den relevanten Lebenszyklusinformationen (Wartungsintervalle) im CAFM System der Wiener Linien verknüpft. (Bild: Dario Gaudard)

Was in der Vergangenheit einige Monate oder gar Jahre gedauert hätte, ist heute eine Aufgabe von einigen Wochen, wobei Alternativen und Varianten in Minuten berechnet werden können, wie ich in meinem Beitrag Where is the as built and who cares? auf LinkedIn ausgeführt habe.

vom Silo ins Netzwerk

Ulf Günter Krause, dessen Blogs ich gerne lese hebt dies auf die Unternehmensebene und beschreibt recht gut, was eigentlich gemeint ist mit der Phrase „Silodenken aufbrechen“:

Die Digitalisierung in der Bauindustrie läuft aber nicht vollautomatisch. Der große BIM-Prozess muss organisiert werden. Bisher konnte jeder in seinem Bereich die Organisation seiner Prozesse losgelöst von den anderen Bereichen vornehmen. Wenn aber schon die Objekte und die Daten komplett digital und durchgängig erzeugt und verarbeitet werden, müssen zukünftig die Prozesse ebenfalls durchgängig digital gesteuert werden. 

Digitalisierung also, wieder einmal. Und fällt es Ihnen auch auf? Die Daten sind das kleinste.

Was BIM ermöglichen kann (Dario Gaudard)

BIM bricht die Silowände auf, stellt überkommene Denkweisen In Frage und wirft die Machtfrage im Unternehmen auf, indem konventionelle und digitale Prozesse aufeinander verweisen und übergreifend laufen. Die Gretchenfrage an die Beteiligten aus Managementsicht ist dann: „Wie hältst Du es mit Deinem Beitrag zum Ganzen, zum Ziel, zum Ergebnis?“. Eine Herausforderung für die alte Organisation im starren Organigramm. Eine Chance für den Change am Weg zur Netzwerkorganisation, wie ich sie in meinem Blog Netzwerkorganisation, Kommunikation und digitale Tools. Eine Gesamtschau beschrieben habe.

Nun, da wir geklärt haben wohin BIM uns aus Managementsicht führt, kehren wir zu den Daten zurück.

Wie werden heute digitale Daten erzeugt?

Die Art und Weise, wie digitale Daten erzeugt werden ändert sich gerade rasend schnell. Wurden eben noch Bestandspläne gescannt oder DWG/DXF in andere Datenformate konvertiert, so werden nun z.B. laser-gescannte Daten verwendet um Gebäude in BIM, in 3-D oder als digitalen Bestandsplan auferstehen zu lassen.

Die Wiener Linien haben zum Beispiel im Objektbereich schon 2017 einen sehr spannenden Test zur digitalen Bestandserfassung in Gebäuden durchgeführt.
Mittels Laserscan wurden drei U-Bahn-Stationen vermessen und darauf aufbauend 3D-Gebäudedatenmodelle erstellt.

Dario Gaudart, Strategischer Projektleiter CAFM & BIM der Wiener Linien. 

Diese Modelle werden bei den Wiener Linien jetzt standardisiert und mittels IFC-Import in das CAFM-System der Wiener Linien übernommen. In einem ersten Test hat das gut funktioniert und alle Räume, Türen, Fenster, etc. konnten inklusive Attributen und Struktur importiert werden. Der Aufwand an Kosten und Zeit ist – verglichen mit früher – gering, überhaupt wenn man die neue Datenfülle und deren Qualität miteinbezieht.

Erfassung der U6-Station Gumpendorfer Straße mittels 3-D Laserscan (Grafik: Dario GAUDART)

Culture eats Strategy (Peter Drucker)

Bei allen technischen Potentialen und prozesshaften Vorteilen bleibt doch und Gott sei Dank der Mensch im Mittelpunkt.

Dazu noch einmal Barry Gleeson: „Es geht um die Erfassung, Verifizierung und Kommunikation von Daten und Informationen und das über den gesamten Lebenszyklus.

Vom Silo zum prozesshaften Netzwerk. Datenmanagementlandschaft der Wiener Linien (Grafik von Daniel Dötzl)

Lars Kölln, Geschäftsführer von core architecture in Hamburg und BIM Manager beim Neubau der Mensa am Campus Duisburg durch das Studierendenwerk Essen-Duisburg plaudert dazu aus dem Nähkästchen:

Architekten liefern zwar 3D, aber ohne die nötigen ergänzenden Informationen. Oder Anlagenbauer liefern die geforderte Dokumentation an den Fachplaner, der sie dann nicht erfasst, selbst wenn sie für die Betreiberverantwortung notwendig ist – und die Liste lässt sich beliebig erweitern.

BIM ist ein Ansatz, der eine veränderte Unternehmenskultur erfordert. Veränderungen dieser Art sind schwierig und dauern lange. BIM braucht daher das volle Commitment der Geschäftsführung. Die Anforderungen an BIM Manager und BIM Koordinatoren werden hoch sein. Was sie heute schon können müssen hat Günter Krause in seinem Blog gut zusammengefasst.

#BIM #CAFM #Planung #bestand #Infrastruktur #Digital #ÖV

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