Komplexe Infrastrukturvorhaben zu planen und zu bauen haben wir mittlerweile gut gelernt. Corona hat aber klar gezeigt, dass die souveräne Planung der Materialversorgung das nächste Lernfeld sein wird, dem wir uns ernsthaft widmen müssen, damit die Mobiitätswende gelingt. Diesmal haben wir aber nur ganz wenig Zeit. Was ist für die Wiener Linien also zu tun?
Über Jahre haben sich die Lieferketten zu einem hochfrequenten sensiblen Organismus entwickelt. Konsequent globalisiert, auf die Schwankungen der Verbraucherwünsche optimiert und mit möglichst geringer Lagerhaltung, um Kosten zu sparen.
In der Folge sind Lieferketten noch nicht widerstandsfähig genug sind, um künftige Störungen zu verhindern.
Das Klimaschutzpaket
Das Klimaschutzpaket für die Mobilitätswende der Stadt Wien ist bis zu 10 Milliarden Euro schwer und wird meine Truppe bis Mitte der 2030er Jahre auf Trab halten. Um es umzusetzen muss ich drei Herausforderungen meistern. Die Finanzierung sicherstellen, qualifiziertes Personal recruited und neuerdings mit einer extrem instabilen und unberechenbaren Supply Chain umgehen.
Dieses Paket besteht aus dem Linienkreuz, einem Strassenbahnpaket und dem Vorantreiben der Busflottenumstellung auf Batteriebusse, der gleichzeitigen Einführung von Wasserstoffbussen und der Herstellung der infrastrukturellen Voraussetzungen für ergänzende Mobilitätsformen wie dem neuen Bikesharing System der Wiener Linien “WienMobil Rad”, das heuer startet.
Gesamtheitliche Bewertung von Investitionen und Folgekosten, Markus Ossberger, Irene Popp, Verkehr und Technik 11/2021

Die Corona-Krise hat schonungslos aufgedeckt, wie instabil die Supply Chain vieler Unternehmen mittlerweile ist. Die Konsequenzen spüren auch wir bei den Wiener Linien. Zusammen mit einer überhitzten Baukonjunktur

Absicherung der Supply Chain
Die weitere Regionalisierung unserer Lieferantenbasis, der Ausbau und die verstärkte Nutzung digitaler Technologien sehe ich daher als zentralen Faktor für resiliente Lieferketten in den nächsten Jahren.
Ich habe daher seit längerem Entscheidungsgrundlagen für eine stabile und natürlich eine ökologische Beschaffung der für dieses Paket wesentlichen Materialien erarbeiten lassen. Wir gehen 2022 sofort in die Umsetzung. Die Prioritäten sind: Stärkung der supply chain, Forcierung des Prinzips der Kreislaufwirtschaft mit einer stärkeren Nutzung regionaler Materialkreislāufe auch bei Bauprojekten.
Die Minimierung von CO2 ist eine politisch und ökologisch erwünschte Folge, wirtschaftliches Vorgehen ein Muss.

Wir verfolgen dabei zunächst zwei inhaltliche Schwerpunkte, weitere Maßnahmen sin derzeit in Ausarbeitung.
1.). Die kreislaufbasierte und CO2-neutrale Baustelle im Bereich Straßenbahn als Kurzfristmassnahme
2.) Green steel, Produktion von klimaneutralem und kreislaufbasiertem Stahl aus regionalen Quellen als strategische Mittelfristmassnahme
Und dann einfach machen!
Wir setzen heuer die erste kreislaufbasierte und klimaneutrale Baustelle Österreichs im Bereich der Gleiserneuerung der Straßenbahn um. Ziel ist es regional oder lokale Materialkreisläufe aufzubauen und die CO2-Emissionen der Baumaßnahmen und der Baustelle zu minimieren.
Unsere Partner sind dabei die Bauindustrie, das Bau-Technikum Camillo Sitte (CS), die MA 39 Prüfung von Beton und Betonerzeugnissen – Bautechniklabor und die Ressourcenmanagementagentur (RMA).
Ich habe das CS vor einem Jahr gebeten uns bei diesen Überlegungen zu helfen und beim Symposion über unser großes Sanierungsprojekt „NeU4-Erneuerung und ökologische Sanierung einer U-Bahn“ gesprochen. Thema war damals die hohe Rate an Recycling- und vor Ort wiederverwenden Materialien samt der ökologischen Entfrachtung., wie das folgende Bild zeigt. Die RMA hat parallel neben der ökologischen Komponente die Aspekte der regionalen Versorgung und der Umsetzung des Kreislaufwirtschaftspakets geprüft. Die MA39 kümmert sich um die Qualitätssicherung und da methodische Vorgehen der Schüler bei der Entwicklung von Recyclingbeton für die Strassenbahnerneuerung.

CS und die MA39 entwickeln dabei die Rezepturen für neue Frost– und tausalzbeständige Recyclingbetone legen die Anforderungen an die stoffliche Qualität der recyclierten Bestandteile fest. CO2-reduzierter Zement bildet den Kern, der derzeit intensiv erforscht und qualitätsgesichert wird. Recycling muss schliesslich auch eine ökologische Verbesserung bedeuten.

Die Bauindustrie liefert Recyclingbeton vom Wiener Stadtrand oder gar aus der eigenen Baustelle. Jedenfalls müssen die recyclate im ersten Schritt aus einem Umkreis von weniger als 50 Kilometer stammen. Fahrtrogplatten der Firma Maba sind heute schon Recycling Produkte aus der Region.
Das zweite Maßnahmenpaket der klimaneutralen Baustelle zielt auf eine energieminimale Baustellenlogistik ab.
Die vollständige Elektrifizierung des Fahrzeug-, Baumaschinen- und -Geräte Pools, der Einsatz von PV-Modulen zur Ladung der Batterien vor Ort werden getestet. Start der Baustelle wird im Frühjahr 2022 sein. Auch dazu lief ein umfassendes Forschungsprojekt.
Die gerechneten Szenarien für 2023 zeigen, dass bereits Maßnahmen zur Verfügung stehen, um kurzfristig CO2-Einsparungen umzusetzen. Die Verringerungspotentiale für Treibhausgas-Emissionen auf Baustellen für 2023 reichen je nach Baustellentyp und Rahmenbedingungen von 21 % bis 52 %. Die größten Einsparpotentiale liegen bei der Reduktion von Transportdistanzen, alternativen Treibstoffen/Antriebsformen und dem Zukauf von Strom aus erneuerbaren Quellen.
Die CO2-neutrale Baustelle. Projekt aus dem Programm Stadt der Zukunft, BMK
In Folge soll die gesamte Erneuerung des Straßenbahnnetzes auf Basis dieser Erfahrungen neu aufgestellt werden, die Erkenntnisse in die Leistungsverzeichnisse eingearbeitet um ein nachhaltiges Vorgehen sicherzustellen. Die dazu laufenden Gespräche mit unseren Baufirmen sind gut, es wurde auch von Ihnen schon sehr viele Maßnahmen in Richtung Klima bzw. CO2-Neutralität gesetzt. Beispielsweise bauen wir heute schon Recyclingbeton und andere Recyclate im Bereich des Linienkreuzes U2/U5 ein.
Mein Langfristfavorite: Green Steel - Vison 2050: Unser Schienenstahl wird bereits heute recycelt. Die Herstellung von Schienenstahl muss aber langfristig auf erneuerbare Energieen und regionalere Quellen umgestellt werden. Ich unterstütze mit den Wiener Linien daher die VÖEST Alpine Rail Systems in ihrem Programm "Greentec Steel" und werde first buyer sein. Zweitens braucht es auch bei Stahl regionale Quellen um nicht in die Falle interkontinentaler, zunehmend unsicherer Versorgungswege zu geraten. Gerhard Schuster von der VÖEST-Alpine sieht das so:
Gerhard Schuster, Technischer Geschäftsführer der voestalpine Stahl Donawitz GmbH
Bei dem von der voestalpine entwickelten Verfahren kommen grüner Wasserstoff und Biogas für die Direktreduktion zum Einsatz. Neben der CO2-Neutralität hat das Verfahren noch weitere Vorteile. So ermöglicht beispielsweise der biogene Kohlenstoff die Aufkohlung des Eisenschwamms für ein effizientes Einschmelzen in Elektrolichtbogenöfen. Der Stahl- und Technologiekonzern wird Lizenzen zum Patent des CO2-neutralen Vormaterials zur Stahlerzeugung vergeben und plant einen Know-how-Transfer mit den Lizenznehmern.